Zu Besuch im Seniorenzentrum St. Engelbert in Brilon: (v. r.) MdL Matthias Kerkhoff (CDU) im Gespräch mit Annette Thamm, Fachbereichsleitung teilstationäre/stationäre Altenhilfe, Ulrich Fliege-Sölken, Geschäftsführer Geschäftsbereich Pflege + Gesundheit, Karen Mendelin, Fachbereichsleitung ambulante Pflege- und Unterstützungsangebote sowie Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbandes Brilon. (FOTO: CARITAS BRILON / CARLA WENGELER)
Brilon. Der Caritasverband Brilon hat den Landtagsabgeordneten Matthias Kerkhoff (CDU) zu einem intensiven Austausch über die aktuelle Lage in der Pflege begrüßt. Im Mittelpunkt standen dabei sowohl strukturelle Herausforderungen im Gesundheits- und Sozialwesen als auch innovative Lösungswege, die der Verband bereits heute erprobt.
Ambulante Pflege am Limit - Sorgen wachsen
Wie Karin Mendelin, Fachbereichsleiterin ambulante Pflege- und Unterstützungsangebote, erläuterte, kann die ambulante Pflege aufgrund fehlender Fachkräfte und steigender Anfragen längst nicht mehr alle Menschen versorgen, die Unterstützung benötigen. Gleichzeitig ist die Refinanzierung häufig unklar.
Diese Unsicherheit erreicht auch die Klientinnen und Klienten. Viele fragen sich besorgt: "Gibt es diese Leistungen demnächst noch? Können wir uns Pflege künftig noch leisten?" Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbandes Brilon, machte deutlich, dass Probleme im Gesundheitssektor oft erst sichtbar werden, wenn Menschen persönlich betroffen sind: "Solange verschließt die Gesellschaft die Augen vor Krisenthemen, die uns alle jederzeit treffen können."
Digitalisierung als Chance - Caritas Brilon setzt auf KI-gestützte Dokumentation
Einrichtungsleiter des Seniorenzentrums St. Engelbert, Kevin Fuchs, stellte die digitale Entwicklung im Verband vor, im Fokus dabei die App Voize, ein KI-basiertes Sprachdokumentationssystem. Alle Pflegekräfte einer Station arbeiten mit bereitgestellten Smartphones, wodurch wertvolle Zeit für die direkte Pflege und Betreuung frei wird. "Wir haben dadurch ein großes Alleinstellungsmerkmal. Durch das Einsprechen mit der App werden die Pflegekräfte entlastet, denn die notwendige Dokumentation nimmt viel Zeit in Anspruch."
MdL Matthias Kerkhoff würdigte diesen Ansatz ausdrücklich: "Das ist ein positives Beispiel für den Einsatz von KI in der Pflege, das Angst vor der Technik nimmt. Die Mitarbeitenden haben so mehr Zeit am Menschen zur Verfügung - genau das ist der richtige Weg."
Standards, Fachkräftemangel und "Stambulante" Versorgung: Neue Wege dringend erforderlich
Im Austausch ging es auch um die Frage, wie neue Versorgungsformen entstehen können, ohne die Qualität zu gefährden. Geschäftsführer des Geschäftsbereiches Pflege + Gesundheit, Ulrich Fliege-Sölken, erläuterte: "Wir müssen Standards überdenken, nicht um schlechter zu werden, sondern um uns verändern zu können. Für Modellprojekte und innovative Versorgungsformen wie etwa stambulante Ansätze benötigen wir außerdem Ressourcen, damit wir sie angemessen und nachhaltig erproben können."
Ein Knackpunkt: Während Wohnungen, in denen Menschen zu Hause gepflegt werden, keiner standardisierten Regulierung unterliegen, sind Einrichtungen wie die Kurzzeitpflege an viele Vorgaben gebunden. Kerkhoff fragte kritisch: "Wer hat sich diese Standards eigentlich überlegt?"
Bei den Fachkräften bleibt die Lage generell angespannt: Leasingpersonal sei inzwischen Normalität, jedoch mit besseren Bedingungen als das Stammpersonal. "Wir wären lieber ohne Zeitarbeit unterwegs", so Annette Thamm, Fachbereichsleiterin teilstationäre/stationäre Altenhilfe, "aber sonst könnten wir viele Menschen nicht mehr versorgen." Kerkhoff betonte darüber hinaus, dass die öffentliche Darstellung der Pflege in den Medien häufig überzeichnet sei. Er plädierte für mehr Ausgewogenheit, um Pflegeberufe nicht weiter zu belasten. Die ca. 40 Prozent höheren Kosten für Leasingpersonal sind nicht refinanziert durch die Pflegekassen.
Verantwortung nicht allein den Trägern überlassen
Vorstand Eirund kritisierte, dass die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände bei Förderprogrammen wie Sondervermögen häufig nicht berücksichtigt würden. "Wir benötigen dringend Mittel zur inhaltlichen Innovation, um unseren Auftrag auch in Zukunft gestalten zu können", stellt der Vorstand fest. Gleichzeitig sei man durch die finanzielle Situation gezwungen, neue Wege zu gehen. Ein Beispiel dafür sind die Senioren-Wohngemeinschaften des Caritasverbandes Brilon, von denen sich MdL Kerkhoff im Anschluss an das Gespräch selbst ein Bild machen konnte. "Für solche Projekte tragen wir das finanzielle Risiko allein. Dabei erfüllen wir eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe."
Auch die Umsetzung gesetzlicher Klimaneutralitätsvorgaben wurde thematisiert. Der Verband betonte, dass diese Ziele unterstützt werden - jedoch klare Regeln und finanzielle Unterstützung benötigt werden, um sie realistisch umsetzen zu können.
Caritas Brilon: Veränderungsbereit - aber nicht allein
Am Ende des Gesprächs fasste Heinz-Georg Eirund die Haltung des Verbandes zusammen: "Wir klammern nicht an bestehenden Regulierungen fest. Wir sind bereit für Veränderungen - im Sinne der Menschen, für die wir Verantwortung tragen. Aber Veränderungen brauchen Ressourcen, Verlässlichkeit und politische Unterstützung."
MdL Matthias Kerkhoff hatte den Caritasverband zuletzt vor rund eineinhalb Jahren besucht, damals in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung am Gallberg; auch den "Warenkorb" hat er bereits kennengelernt. Der erneute Austausch zeigte: Die Herausforderungen sind gewachsen, ebenso aber auch der Wille des Caritasverbandes Brilon, neue Wege zu gehen.