Fordern einen neuen Rettungsschirm für Mutter-Vater-Kind-Kliniken: Heinz-Georg Eirund (Vorstand Caritasverband Brilon e.V.) und Ulrich Sölken (Fachbereichsleiter Kliniken, rechts)Foto: Caritas Brilon / Sandra Wamers
Brilon / Bad Wildungen. Bereits zu Ostern bangten die Mitarbeitenden der über 70 Kliniken des Müttergenesungswerks um die Existenz ihrer Einrichtungen. Mit ihnen sorgten sich - den zurückliegenden Lockdown vom März noch in den Knochen und Köpfen - Mütter, Väter und Kinder, und zwar nicht wenige. Rund 50.000 Mütter, 2.000 Väter und über 70.000 Kinder besuchen jährlich bundesweit eine der Rehabilitations- und Vorsorgekliniken, um ihr Familienleben gut und nachhaltig zu gestalten. Knapp drei Monate mussten die Kliniken coronabedingt schließen. Die Mitarbeitenden waren in Kurzarbeit. Mit als letzte Institutionen in der Gesundheitsbranche wurde Mitte April ein Corona-Rettungsschirm auch über die Kliniken gespannt. Dieser Schutzschirm ist am 30. September ausgelaufen. "Jetzt sind wir wieder am Bangen und müssen wieder um die Sicherung der Kliniken kämpfen", sagt Heinz-Georg Eirund, Vorstand des Caritasverbandes Brilon. In Trägerschaft der Caritas Brilon liegen die Kliniken St. Ursula in Winterberg und Talitha in Bad Wildungen.
Dort ist, wie andernorts auch, der Kurbetrieb ab Juni auch auf Bitten der Landes- und Bundespolitik wieder angelaufen. Dafür sind Hygienekonzepte erstellt und alle Abläufe neu organisiert worden. Der Infektionsschutz steht obenan, denn Mütter und Kinder kommen aus ganz Deutschland in den Klinken zusammen, um Hilfe und Begleitung für ihre Lebenswege zu erfahren. "Und die Menschen wollen und brauchen die Kuren", betont Ulrich Sölken, Fachbereichsleiter Klinken. Die Nachfrage ist da, weil die familiären Belastungen in der Krise verstärkt wurden. Die Klinik-Mitarbeitenden wollen den Familien helfen. Das ist ihr Beruf wie Berufung. Auch die Politik forderte die Wiederaufnahme des Regelbetriebs unter Corona-Schutzmaßnahmen ein. Der Betrieb läuft wieder. Jetzt ist der Schutzschirm nach Paragraf 111d SGB V, der Ausgleichszahlungen vorhält, eingestellt worden. 60 Prozent der Tagessätze für nicht belegte Plätze konnten durch den Schutzschirm rechnerisch abgedeckt worden. Jetzt sollen die coronabedingten Risiken und Mehraufwendungen über die jährlichen Tagessatzverhandlungen geklärt werden. "Hierzu sehen sich allerdings die Krankenkassen rechtlich nicht in der Lage. Auch wenn die Risiken durch die Vertreter der Krankenkassen durchaus gesehen und gewürdigt werden", sagt Vorstand Eirund.
Die Risiken sind für die Kliniken erheblich: "Coronabedingte Absagen, Infizierungen, die zum Kurabbruch führen, Teil- oder Vollschließung nach Infizierung", zählt Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund auf, "Niemand fühlt sich dafür zuständig." Um Zahlen zu nennen: "Wir haben zum Beispiel je Klinik zusätzliche Personalkosten von 10.000 Euro pro Kurmaßnahme und zusätzlich erhöhte Sachkosten", sagt Eirund. "Die erhöhten Personalaufwendungen sind coronabedingt erforderlich, um qualitativ erfolgreiche und sichere Kuren vorzuhalten", stellt Fachbereichsleiter Ulrich Sölken fest. Erst ab dem 1. September wurden coronabedingte Mehrkosten übernommen. Die Mehrkosten ab dem Restart im Juni wurden ausschließlich durch die Kliniken getragen. Sollte eine Kurmaßnahme coronabedingt komplett eingestellt werden, fehlen pro Kur 330.000 Euro. "Bei Kurabbruch bezahlen die Kassen ab 1. Oktober nichts", sagt Fachbereichsleiter Sölken.
Zum zweiten Mal müssen die Mutter-Vater-Kind-Kliniken in der Krise um ihre Existenzsicherung kämpfen. "Wir fordern konkret verlässliche finanzielle Hilfen und die Verlängerung des Schutzschirms für die Zeit der Pandemie", so Sölken weiter. "Der Staat und die Gesellschaft können nicht eine familienstärkende Hilfe und Unterstützung in einer Zeit fallen lassen, in der gerade das Fundament unserer Gesellschaft, also die Mütter, Väter und Kinder, gestärkt werden müssen", appelliert Eirund an die Politik.
Und mit Blick auf die Krankenkassen stellt Eirund fest: "Es muss doch im Interesse der Krankenkassen sein, dass in einer solchen Zeit Familien stabil und gesund bleiben, um die Wirtschaft und die Arbeitnehmer und damit das eigene System der Krankenkassen zu stabilisieren. Allein volkswirtschaftlich darf dies doch keinesfalls infrage gestellt werden." Laut Gesundheitsministerium haben die Krankenkassen bundesweit in diesem Jahr 40,6 % weniger Ausgaben für den Bereich der Mutter-Vater-Kind-Kuren verzeichnet.