„Der beste Auftritt meines Lebens“:
Den kündigte der Kabarettist Rainer Schmidt
in Olsberg an, wo er mit seinem Programm
„Däumchen drehen – keine Hände,
keine Langeweile“ gastierte.
Olsberg. Durchgängig kurzweilig, gerne auch spitzzüngig und punktuell anregend grenzgängerisch präsentierte am Samstagabend der Kabarettist Rainer Schmidt sein Programm „Däumchen drehen – Keine Hände, keine Langeweile“ in der ausverkauften Kur- und Konzerthalle Olsberg. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung vom Caritasverband Brilon in Kooperation mit dem Josefsheim Bigge.
Das ist mein größter Auftritt“, begrüßte Rainer Schmidt die 500 Zuschauer und
prophezeite verschmitzt: „Und er wird der Beste meines Lebens werden.“ Dabei gehören
Auftritte zu Schmidts Alltagsgeschäft: Als evangelischer Pastor predigt er von der
Kanzel, als Referent vor Managern, als Dozent vor Studenten, als Kabarettist
auf den Bühnenbrettern und sogar bei den Olympischen Spielen hat er bereits im
Rampenlicht gestanden: Rainer Schmidt spielt Tischtennis – leidenschaftlich
gern und ebenso erfolgreich. All das tut Schmidt – ohne Hände und selbstredend ohne
Langeweile, da folgt er buchstabengetreu dem Motto seines Showprogramms.
Däumchen drehen tut Schmidt nicht. Könnte er auch gar nicht: Rainer Schmidt hat
zwar einen Daumen aber keinen weiteren Finger, um Däumchen zu drehen. Auch
Unterarme hat er nicht. Ein kleiner Daumen sitzt direkt auf dem Ellenbogen.
Schmidt ist behindert, wie man landläufig leichthin sagt. „Bei meiner Geburt
hat meine Oma gesagt: Handwerker wird der nicht“, erzählte der Kabarettist
augenzwinkernd. Und auch, dass seine Geburt der schlimmste Tag im Leben seiner
Mutter war. „Und glauben Sie mir, ich habe alles dafür getan, dass noch weitaus
Schlimmere folgen werden“, scherzte Schmidt. Schmidt geht so offensiv wie
humorvoll mit dem „Phänomen Behinderung“, wie er es nennt, um.
Darf man das, fragt sich der Zuschauer, darf der da oben auf der Bühne so über
Behinderung sprechen? Und darf man selbst darüber lachen? Über Anekdoten, die
zwischen „Blutgrätsche mit Beinprothese“, „Spastik oder Breakdance“ angesiedelt
sind. Man darf. Zum einen: Lachen verbindet. Und wer da gerade über wen lacht –
„Behindert über Nicht-Behindert“ – ist nicht immer klar, und soll es auch nicht
sein. Am schönsten ist sowieso, wenn gemeinsam gelacht wird – über die kleinen
und großen Un- und Fähigkeiten im Leben. Behindert – nicht behindert,
Kategorien, die ohnehin überflüssig sind: „Denn jeder Mensch hat
Einschränkungen“, sagte Rainer Schmidt und fragte forsch das Publikum:
„Natürlich, ich kann das nicht. Aber gibt es hier jemanden, der einen Handstand
kann? Wirklich niemand? Das gibt’ s ja nicht – trotz der vielen Hände hier im
Saal.“ Offensichtlich liegt Behinderung auch immer im Auge des Betrachters.
Das Lachen zum anderen: Durch das Lachen verliert das „Phänomen Behinderung“ gehörig
an Berührungsangst. Und das braucht es, denn „das Phänomen Behinderung
verunsichert die Menschen“, sagte Rainer Schmidt. Verunsicherung, Ängste,
Vorurteile – auch diese sperrigen Themen griff der Kabarettist in seinem
Programm auf. Jedoch bar jeglicher Schwermut und leidensvoller Miene – obwohl Schmidt
ein qualwonnevolles Leiden den Zuschauern als eine der effektivsten Strategien
im Umgang mit den eigenen Unzulänglichkeiten und Grenzerfahrungen wärmstens ans
Herz legte – allemal im Form von schrecklich-schönem Selbstmitleid.
Einen gelungenen Abend servierte der Kabarettist seinem Olsberger Publikum
damit und hielt jedes Wort, das im Programmtitel angekündigt wurde: Keine Hände,
keine Langeweile und es wurde – wie versprochen – auch Däumchen gedreht. Zu
guter Letzt durfte eine Dame Schmidts kleinen Daumen direkt am Ellenbogen
berühren. Ein schüchtern-keckes Kichern, gefolgt vom kollektiven lachen: So
exklusiv kann inklusives Kabarett sein. Danach waren sich am Ende alle einig
und stimmten mit Rainer Schmidt schlussendlich im Chor an: „Ein Mensch ohne
Macke ist Kacke!“