Brilon/Altkreis.
„Hilfe für ältere Frauen und Männer mit Alkohol und Medikamenten bezogenen
Störungen“ – hinter diesem zunächst sperrig wirkenden Titel (abgekürzt HAMAB)
steckt ein in dieser Form erstmaliges Modellprojekt, das vom Bundesministerium
für Gesundheit mit 95.000 Euro gefördert und auf zwei Jahre angelegt ist.
Kooperationspartner sind der Caritasverband Brilon mit seiner Alten- und
Krankenhilfe gGmbH und die Fachklinik Fredeburg mit Unterstützung des Deutschen
Instituts für Sucht- und Präventionsforschung an der Katholischen Hochschule
Köln.
Es ist nach wie vor ein Tabuthema, dem sich die Kooperationspartner annehmen:
Suchterkrankungen bei älteren Menschen wurden bisher zu wenig als Problem
erkannt, bzw. wahrgenommen. Ebenso gibt es bisher kaum Studien über das
Suchtverhalten dieser Altersgruppe. Mit dem Startschuss des Projektes am 31.
Januar soll sich dieses nun grundlegend ändern: Durch die Vernetzung und den
Austausch von Suchtmedizin, Suchttherapie und Seniorenhilfe soll das Projekt
auch langfristig Hilfen und Konzepte für suchterkrankte Senioren etablieren.
Großes Interesse findet das Projekt bereits jetzt: Zur Auftaktveranstaltung im
Caritas-Seniorenzentrum St. Engelbert Brilon fanden sich neben den
Kooperationspartnern auch Weihbischof Manfred Grothe, Landrat Dr. Karl
Schneider und MdL Hubert Kleff ein.
Während der Weihbischof besonders das Engagement der Beteiligten lobte, denen,
„die in eine Sucht geraten sind, umfassende Hilfe“ anzubieten und auch nach den
Ursachen von Sucht zu fragen, hob Landrat Dr. Schneider vor allem den
Wissenstransfer zwischen den Bereichen Sucht- und Seniorenhilfe hervor.
Hubert Kleff würdigte, dass der Caritasverband Brilon wieder einmal ein
aktuelles und zukunftsorientiertes Thema aufgreife.
Caritas-Geschäftsführer Heinz-Georg Eirund verwies darauf, dass der
Caritasverband Brilon gemeinsam mit dem Hochsauerlandkreis bereits seit 40
Jahren ambulante Suchtangebote gestalte und dass einerseits durch diese
langjährige Erfahrung, aber eben auch durch das Selbstverständnis des
Caritasverbandes niemals nach „Schema F“ verfahren, sondern immer nach
individuellen und ganzheitlichen Lösungen gesucht werde.
So auch im neuen Projekt: „Es gibt noch kein Patentrezept“, erläuterte Dr.
Dieter Geyer von der Fachklinik Fredeburg, der Inhalte und Verlauf von HAMAB
präsentierte.
Basierend auf dem derzeitigen Wissensstand über Medikamenten- oder
Alkoholkonsum – auch und gerade in riskanter Form – in späteren Lebensjahren
wird mit Blick auf die „älter werdende Gesellschaft“ nach neuen Wegen in der
Therapie gesucht. Theo Köhler, Leiter der Caritas-Suchtberatung, gab zu, dass
man sich „auf neues Terrain“ begebe und das Projekt auf jeden Fall ein
lernendes sein werde.
In der Region gelten 460 ältere Menschen als alkohol- und weit über 1.300 als
medikamentenabhängig. Weit höher ist die Zahl der Älteren mit einem schädlichen
bzw. riskanten Konsum.
Mit dem offiziellen Startschuss am Montag, begann direkt am 1. Februar der
„operative Start“: die ersten Schulungen im Seniorenzentrum St. Engelbert für
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten und stationären Seniorenhilfe
starten. Beim Caritasverband Brilon sind davon derzeit 235 im ambulanten und 90
Mitarbeiter im stationären Bereich davon betroffen, wie
Caritas-Fachbereichsleiterin Karen Mendelin erläuterte. Jede Institution der
Seniorenhilfe wird dann einen Suchtbeauftragten auf Leitungsebene benennen,
innerhalb der Suchtkrankenhilfe wird es entsprechend einen „Altersbeauftragten“
geben. Dauerhafte Vernetzung, regelmäßige konkrete Fallbearbeitung in
Fachkonferenzen und die wissenschaftliche begleitende Auswertung stehen im
Mittelpunkt. Am Schluss soll dann u. a. eine Regelversorgung für betroffene
Senioren stehen.
Darüber hinaus ist den Kooperationspartnern auch wichtig, dass nicht nur intern
das Thema enttabuisiert wird: Mit einer Wanderausstellung soll dann im zweiten
Jahr von HAMAB vor allem auch die Bevölkerung für das Thema „Sucht im Alter“
sensibilisiert werden.
Gaben am Montag gemeinsam den Startschuss für HAMAB: (v. li.) Theo Köhler (Caritas-Suchtkrankenhilfe), Caritas-Geschäftsführer Heinz-Georg-Eirund, Karen Mendelin (Fachbereichsleitung Alten- und Krankenhilfe), Dr. Dieter Geyer und Dr. Sabine Zwick (beide von der Fachklinik Fredeburg).